Rückblick SchICHTWECHSEL

Der Aktionstag für neue Sichtweisen

„Und damit heute mal echt klar wird, dass wir als Menschen mit Behinderung wirklich arbeiten und überhaupt nicht faul sind“ sagt Luisa mit energischer Stimme, „finde ich diese Aktion richtig gut“. Initiiert von der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen soll in diesen Tagen mit den bundesweiten Aktionstagen SchICHTWECHSEL gezeigt werden, wie Menschen mit Behinderung in den Werkstätten arbeiten. Der Name SchICHTWECHSEL ist Programm, denn es geht vor allem darum, seine eigene Sichtweise neu zu schärfen, indem man seine „Schicht“ wechselt. Ein Tandem bildet jeweils ein Beschäftigter der Werkstatt der Lebenshilfe für die Grafschaft und eine Person, die auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeitet. Jedes Tandem begleitet dann entweder die Arbeit in der Werkstatt oder aber in den Betrieb.

„Es geht immer wieder um die Haltung“ betont Cornelia Westerhof, Leiterin des Fachdienstes für JobInklusiv. „Alle reden von Inklusion, als sei nur der erste Arbeitsmarkt wirklich Arbeit. Dabei ist die Arbeit in den Werkstätten für rund 75% unserer Menschen mit Behinderungen genauso Teilhabe am Arbeitsmarkt. Rund 25% unserer Klienten sind mittlerweile außerhalb der Werkstätten - in Betrieben in der gesamten Grafschaft - beschäftigt. Diese Entwicklung forcieren wir weiter“, erläutert Werkstattleitung Jonas Roosmann.

Alte Vorstellungen von Schrauben sortieren und sehr einfachen und vor allem langweiligen Tätigkeiten sind noch in vielen Köpfen, wenn Außenstehende an Werkstatt denken. Hier darf ein Perspektivwechsel stattfinden, denn das entspricht schon lange nicht mehr der Realität. Das Spektrum an Aufgaben ist sehr groß, von einfach bis hin zu komplexen Aufgaben für zahlreiche Firmen jeweils an den Fähigkeiten des Menschen orientiert. Die Arbeit wird dem Menschen angepasst und nicht andersherum. Daraus resultiert ein geringerer Druck. 

„Ich wurde durch diesen Schichtwechsel wachgerüttelt“, resümiert Ioana Cadar, nachdem Brigitte Ten Brink einen Tag mit ihr Unterricht war. „Wir wollen in Zukunft mehr Angebote für Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund anbieten“ äußert die stellvertretende Leiterin der Musikschule. Ganz ähnlich sieht es Phillip Hillen, Geschäftsführer der Firma Funduino, welche schon viele Jahre mit der Lebenshilfe kooperiert. Der heutige Tag, an dem Patrick Pleister, der bisher in der LoBeNo arbeitet, bei ihnen mitarbeitet, ist erst der Auftakt. „Gerne wollen wir dann ein Praktikum für Herrn Pleister beginnen“.

Auch für Sonja Hüsemann wird dieser Sichtwechsel lange in Erinnerung blieben. Beim Erntedankgottesdienst der gesamten Vechtetal Schule wurde sie von Pastor de Vries interviewt. Anschließend haben die beiden noch die Spülmaschine ausgeräumt. Jeder Handgriff sitzt, sie kennt das, da sie sonst im Kaffeehaus SAMOCCA arbeitet.

Für Torsten Rammelkamp war der Tag an der Seite von Uwe Fietzek ein Kinderspiel. Als er beim jährlichen Empfang der Landfrauen die Begrüßung übernahm, brauchte er keine Notizen, die man ihm anbat. „Ich bin jetzt der Landrat, ich mach das so“, erklärt er und moderierte souverän die Veranstaltung. „War mal was richtig Feines“ sagt er rückblickend und auch Uwe Fietzek ist begeistert von diesem Perspektivwechsel. „Oft beurteilt man die Sachen vom Schreibtisch aus, aber wirklich aus der Innenperspektive in die Werkstatt reinzuschauen, ist einfach großartig“ stellt der Landrat abschließend fest.